Endlich ist es da, das langersehnte Coveralbum „Torso“ von Soap&Skin. Im FM4-Interview spricht die Songschreiberin, Musikerin, Produzentin und Schauspielerin Anja Plaschg über die Herausforderungen des Aneignens, über David Bowie und Lana del Rey und über ihren Triumphmoment am Album.
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von Michaela Pichler
Es war einmal ein Musikfestival in Krems an der Donau, bei dem ein österreichischer Superstar einen legendären Auftritt hingelegt hat. Es war das Jahr 2022, es war das Donaufestival und es war niemand geringeres als Anja Plaschg: Sie hat damals als Soap&Skin ein Liveset ausschließlich mit Coverversionen gespielt. Der Legende nach ist daraus die Idee geboren, ein ganzes Album mit Liedern anderer zu füllen. Im Interview mit FM4 Redakteurin Katharina Seidler erzählt die Songschreiberin, Musikerin, Produzentin und Schauspielerin allerdings von einem weitaus früheren Ursprungsfunken: „Die Frage stand schon länger für mich im Raum und ich hatte lange schon eine gewisse Abneigung oder einen Widerstand in mir, das anzugehen. Ich musste für mich klären, ob ich dazu stehen kann in so einer Albumversion.“
Vom Verstecken und Finden
Lange hat sich Soap&Skin in ihrer Tradition, handverlesene Coversongs auf einzelnen Album zu verstreuen, sehr wohlgefühlt. Sie hätte sie bisher quasi untergeschummelt, auf Platten wie „Narrow“ und „From Gas to Solid / you are my friend“ und vor allem bei ihren Live-Konzerten. „To Cover“ heißt ja auch so etwas wie „bedecken/verdecken/verschleiern“. Mit ihrem neuen Album “TORSO” ist das Versteckspiel nun aber vorbei für Plaschg. Wer Soap&Skin schon einmal live erlebt hat, wird auf dieser Platte einige alte Bekannte treffen.
Soap&Skin / PIAS
„TORSO“ ist das vierte Album von Soap&Skin und erscheint am 22. November 2024 via PIAS.
"Ich saß sozusagen dem Repertoire gegenüber und habe überlegt. Einige Stücke waren ganz klar, dass ich die veröffentlichen möchte, weil sie mich schon so lange begleiten. Zum Beispiel „Pale Blue Eyes“ [von The Velvet Underground] oder eben Cat Powers „Maybe Not". Es gibt aber auch welche, gegen die ich mich dann am Ende doch entschieden habe, wie zum Beispiel meine Kelly Family Versionen.“ Anja Plaschg lacht verstohlen, wenn sie über diese 90er-Jahre Familienkultband spricht.
Na gut, also keine Kelly Family, dafür aber andere Songs, die weltweit bekannt und beliebt sind, hat Soap&Skin auf „TORSO“ versammelt. Ein Track auf ihrer Liste hat im Original beispielsweise eine halbe Milliarde Spotify-Plays. Er heißt „Mystery of Love“ und stammt ursprünglich aus der Feder von Sufjan Stevens, geschrieben für den queeren Coming-of-Age-Film „Call Me By Your Name“. In der Version von Soap&Skin wurde das Lied zu einem hoffnungsvollen Album-Opener.
„Ich wollte es noch mehr in die Dunkelheit ziehen“
„TORSO“ ist ein schönes Beispiel dafür, wie manchen Künstler:innen Musik passiert. Manchmal kommen die Lieder zu einem und drängen sich auf, manchmal sucht man sie verzweifelt selbst und arbeitet sich hart an ihnen ab. Soap&Skin ist Meisterin im Covern, weil sie sich die Songs in ihren einzigartigen Arrangements mit ihrem Ensemble völlig zu eigen macht - quasi mit Pauken und Trompeten. Das sind dann Lieder von Pop-Größen wie David Bowie. An sein letztes Album „Blackstar“ (erschienen 2016, nur zwei Tage vor seinem Todestag) hat sich Anja Plaschg herangewagt und die Nummer „Girl Loves Me“ für sich zurechtgebogen: „Ich war nie ein großer David Bowie Fan, aber dieses Album hat mich extrem getroffen und berührt und mich lange begleitet. Es war mir ein Bedürfnis, den Song noch mehr zu verknöchern vom Sound her und noch mehr in die Dunkelheit zu ziehen, so dass diese Gaganess auf etwas Darkes trifft.“
Allein das Musikvideo zu „Girl Loves Me“ ist ein Meisterwerk - quasi ein „Mad Max“-Streifen, gedreht in der bewaldeten Alpenhölle Österreich. Und mittendrin eine Anja Plaschg, die mittlerweile auch schon als ausgezeichnete Hauptdarstellerin im Kino mit „Des Teufels Bad“ zu sehen ist. Vielleicht war diese Rolle auch ein bisschen Inspiration für den Musikclip.
How to heal
Ein Grundrezept, an das sich Soap&Skin in ihren Bearbeitungen hält, gibt es nicht. Am Ende muss der Inhalt der Songtexte aber schon übereinstimmen mit einer gewissen Grundhaltung der Musikerin. Auch deshalb verändert sie oft einzelne Wörter - oder wie im Fall eines Liedes von Lana del Rey, die ganze Bedeutung. "Ich habe den Text und die Bedeutung [von „Gods and Monsters"] eigentlich regelrecht umgekehrt; von einem masochistischen Selbst, das irgendwie eine Form von Gewalt romantisiert. Davon habe ich mich abgekehrt. Für mich war die Arbeit daran sehr heilsam und ein bisschen ein Triumph.“
You’re not that medicine I need
Fame, liquor, shove - that is nothing holy
Put your hands off my waist
Do it quickly
Me and god we will get along so now I sing
In Soap&Skins Version von „Gods and Monsters“ holt sich die Person ihre Autonomie zurück und weist einen Täter in seine Schranken. Weil der Originaltext so stark bearbeitet wurde, erscheint „Gods and Monsters“ ausschließlich als digitaler Bonustrack.
„Es ist viel mehr noch ein Dialog“
Von Popsongs wie diesem oder dem 4 Non Blondes Welthit „What’s Up“ ist Anja Plaschg übrigens nicht eingeschüchtert, ganz im Gegenteil: „Weil ich vielleicht doch empfinde, dass ein Pophit Allgemeingut ist.“ Mit ihrem Album macht Soap&Skin nun ihre Bearbeitungen dieser Lieder zum demokratischen Gemeingut. Der Release fühlt sich für die steirische Musikerin übrigens gleichzeitig komplett anders und doch ähnlich an wie der Release selbstgeschriebener Tracks: „Ich stehe da ja trotzdem mit meinem Namen darunter, aber es ist viel mehr noch ein Dialog, eben auch mit den Künstler:innen, die diese Musik geschrieben haben.“ Eine weitere Ebene in einer Musik, die ohnehin schon vor Vielschichtigkeit strotzt.
Tolle Neuigkeiten für 2025
- Soap&Skin geht auf Tour
- 10.01.25 Orpheum in Graz
- 11.01.25 Rockhouse in Salzburg
- 17.01.25 Wiener Konzerthaus
- 23.03.25 Elbphilharmonie in Hamburg
- 05.09.25 Arena Open Air in Wien
Sich selbst begegnet Anja Plaschg auch auf „TORSO“. Wer die Tracklist gut studiert, findet schnell das französische Piano-Drama „Voyage Voyage“, erstmals 1986 von Desireless zum Pophit avanciert und wiederbelebt durch Plaschg auf ihrem zweiten Album „Narrow“. Seitdem begleitet diese Nummer Soap&Skin, über die Jahre ist sie live gewachsen und nun gibt es auf „TORSO“ eine „Livetime Version“: „Der Existentialismus darin ist gewachsen in den vergangenen Jahren und auch der Ausdruck und das, was ich dabei fühle, wenn ich das performe.“
Ob Anja Plaschg auch schon einmal an einer Coverversion gescheitert ist? „Ja, ich bin schon gescheitert. Eine Erkenntnis, die ich hatte, war auf jeden Fall, dass es nicht ausreicht, ein Lied einfach nur sehr zu lieben, um auch eine Coverversion zu machen, mit der ich dann etwas anfangen kann.“ Neil Youngs „Natural Beauty” etwa hat es deshalb nicht auf die Platte geschafft. Aber was noch nicht ist, kann ja in Zukunft noch werden. Für den Augenblick und die Ewigkeit gibt es jetzt mit „TORSO“ nun endlich eine Sammlung der vielbeklatschten Songs, die Soap&Skin schon auf den Bühnen dieser Welt geowned hat. Und ein paar dunkle Überraschungen mehr.
Publiziert am 21.11.2024
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